Kulturkampf im Aargau, 1870 - 1900
Der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges bedeutete für die schweiz. Neutralität eine erste Bedrohung. Die Besetzung der Nordwestgrenze durch die Armee unter General Herzog zeigte, dass eine Vereinheitlichung der Streitkräfte notwendig war. Die neue kirchenpolitische Krise rund um das Erste Vatikanische Konzil bedeutete auch für die Einheit der Schweiz einen herben Rückschlag. Schon vor diesem Konzil hatte die Verurteilung von Lehren des Zeitgeistes durch den Papst die liberalen Kreise beunruhigt. Staat und Kirche wurden einmal mehr zum Zankapfel und zur Machtprobe. Das Erste Vatikanische Konzil löste am 18. Juli 1870 mit dem Unfehlbarkeitsdogma in weiten Teilen Mitteleuropas erneut alte, überwunden geglaubte kirchenpolitische Streitigkeiten aus. Die Anhänger des Staatskirchentums lehnten sich dagegen auf und ein letztes Mal stiessen nun in diesem sogenannten Kulturkampf staatliche und kirchliche Herrschaftsansprüche aufeinander. In Deutschland und in der Schweiz entwickelte sich in freisinnig katholischen Kreisen die Bewegung des Altkatholizismus. Sie blieb auf kleine Kreise beschränkt. Im Bezirk Rheinfelden jedoch erfasste die neue, vom Papst unabhängige Lehre ausser den drei Gemeinden Zeiningen, Mumpf und Schupfart alle übrigen Orte. Aus mündlichen Überlieferungen weiss man noch, dass nach der Konzilserklärung vom 18. Juli 1870 die Gemeinden des Bezirks von Befürwortern des neuen Glaubens systematisch besucht und angeworben wurden. Es kam 1871 zu den ersten Protestversammlungen und zur Gründung eines freisinnigen Vereins schweizerischer Katholiken. Der Zeininger Pfarrer Ness, ein Einheimischer, verteidigte den bisherigen Glauben; er wurde vom Mumpfer Pfarrer und dem damaligen einflussreichen Sonnenwirt unterstützt. Die Schupfarter stellten sich mit „Kärsten“ bewaffnet bei den Dorfeingängen auf und wendeten die Agitatoren ab. In den Dörfern ging die Spaltung quer durch die Familien. Die Altkatholiken forderten den Anteil am katholischen Kirchengut oder die ganze Übernahme, wenn sie die Mehrheit in einer Gemeinde erlangten. Sie wurden in diesen Forderungen von der Staatsgewalt unterstützt. So gingen in den meisten Gemeinden – ausgenommen in Zeiningen, Mumpf und Schupfart - die Kirchen an die Altkatholiken über. Zeiningen aber blieb römisch-katholisch (Quelle: Kirchenarchiv).